Der Wille, der zählt
Patientenverfügung schafft Klarheit am Krankenbett
Es ist eine schlimme Vorstellung: über Jahre als Koma-Patient vor sich hindämmern, ans Bett gefesselt, an Schläuche angeschlossen, hilflos. Und nicht loslassen zu können, zu dürfen, weil man den Wunsch dazu nicht mehr äußern kann. In Sterbephasen werden Patienten oft gegen ihren Willen behandelt und lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen, zu denen sich die Ärzte beim Schwur auf den Hippokratischen Eid verpflichtet haben. Dabei gibt es seit 2009 eine rechtskräftige Möglichkeit, eine gewünschte medizinische Behandlung im Vorfeld zu bestimmen: die Patientenverfügung.
Rund neun Millionen Verfügungen wurden in Deutschland bisher verfasst. Das Schriftstück setzt vor allem auf Selbstbestimmung. Hat ein Patient vorab seinen Willen für den Fall einer schweren Erkrankung schriftlich verfasst, so hat dieser Wille fortan oberste Priorität. Jeder volljährige Bundesbürger kann auf diese Weise für sich selbst bestimmen, wie er in Notfällen oder bei chronischen Krankheitsverläufen medizinisch behandelt werden möchte. Ein Betreuer oder Bevollmächtigter muss gegenüber den Ärzten dafür sorgen, dass die Patientenverfügung durchgesetzt wird - und dazu gehört auch, lebenserhaltende Maßnahmen zu unterlassen.
Bereits 2004 hat die Bundesärztekammer in den "Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung" die Bedeutung von vorsorglichen Willenserklärungen betont. Denn jeder Bundesbürger hat laut Grundgesetz das Recht auf Selbstbestimmung, die verfassungsrechtlich verankert ist in der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2, Abs. 2 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).
Viele Jahre voller umstrittener Gerichtsurteile und Debatten hat es gedauert, bis der Deutsche Bundestag am 18. Juni 2009 das Betreuungsrecht geändert und eine gesetzliche Regelung zu Patientenverfügung beschlossen hat. Eine ausdrückliche Regelung der Patientenverfügung gab es bis dahin nicht. Es handelte sich zuvor im Wesentlichen um ein Richterrecht. Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts wurden im Juli 2009 u. a. die Vorschriften der §§ 1901 a, 1901 b sowie 1904 BGB neu gefasst bzw. neu eingeführt. Diese regeln die Voraussetzungen, den Inhalt und die Folgen einer Patientenverfügung. Das neue Recht gilt seit dem 1. September 2009.
Der Neuregelung nach ist eine Patientenverfügung eine freiwillige schriftliche Erklärung eines volljährigen Menschen für den eventuellen zukünftigen Fall, dass er nicht mehr einwilligungsfähig ist. Er legt für solche Situationen verbindlich fest, ob er in bestimmte medizinische Untersuchungen, Behandlungen und Eingriffe einwilligt oder diese untersagt (§ 1901 a Abs. 1 BGB). In der Regel geht es darum, im Fall von Koma, mehrfachem Organversagen oder schweren Hirnschädigungen das Ende von Behandlungen klar vorzugeben. Eine Patientenverfügung betrifft nicht nur die Entscheidung für oder gegen lebensverlängernde Maßnahmen. Auch längerfristige Behandlungsfragen lassen sich mit der Regelung klären. Dies ist etwa für Demenz-Kranke oder Schlaganfall-Patienten von Bedeutung, die über Jahre Pflege brauchen, sich aber nicht mehr äußern können. So können Bürger in einer Patientenverfügung zum Beispiel auch eine Schmerztherapie oder Sterbebegleitung verlangen.
Das Gesetzt legt darüber hinaus fest, dass eine Patientenverfügung nur in schriftlicher Form gültig ist. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht erforderlich.
Der Wille des Betroffenen gilt immer.
Und das unabhängig von der Art und dem Stadium der Krankheit und auch dann, wenn die Krankheit nicht unbedingt tödlich endet. Wünscht ein Patient in seiner Verfügung ausdrücklich eine verbotene Tötung, ist dieser Wunsch unwirksam. Der Bevollmächtigte oder Betreuer prüft im Ernstfall, ob eine Patientenverfügung vorliegt und ob diese die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation widerspiegelt. Ist das der Fall, muss er dafür Sorge tragen, dass die Festlegungen des Patienten umgesetzt werden. Liegt kein Dokument vor oder ist es augenscheinlich veraltet, muss sich der Vertreter am mutmaßlichen Willen des Patienten orientieren (§ 1901 a Abs. 2 BGB). Dafür werden frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, die die Wertevorstellungen und religiösen/ethischen Überzeugungen betreffen, herangezogen. Auch nahe Angehörige und Vertrauenspersonen werden beteiligt, sofern es dadurch keine erhebliche Zeitverzögerung gibt. Sollten schwerwiegende Zweifel am Willen des Patienten auftreten, ist der Betreuer verpflichtet, eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einzuholen.
Wichtig ist, dass eine Patientenverfügung verständlich und eindeutig formuliert ist.
Nur so können Ärzte und Pflegepersonal genau wissen, was sie tun dürfen und was nicht -Missverständnisse werden so vermieden. Unsauber verfasst, kann eine Patientenverfügung in Frage gestellt werden. Experten raten von schwammigen Formulierungen ab wie "Ich will nicht an Schläuchen hängen, wenn keine Aussicht auf ein würdiges Leben mehr besteht". Auch Beschreibungen wie "unwürdiges Dahinvegetieren", "qualvolles Leiden" und "Apparatemedizin" sind nicht exakt genug. Die Verfügung sollte sich auf konkrete Krankheitszustände und Symptome beziehen. Es empfiehlt sich daher, vorher einen ärztlichen Rat einzuholen. Der Arzt verfügt über die erforderliche Sachkompetenz, in Frage kommende Behandlungssituationen zu beschreiben. Dabei kann er bereits vorhandene Erkrankungen des Patienten berücksichtigen und die notwendigen Anweisungen in der Patientenverfügung ausführlich erläutern.
Einen Arzt in Anspruch zu nehmen hat einen weiteren Vorteil: er kann auf diese Weise bestätigen, dass der Patient zum Zeitpunkt der Verfassung der Patientenverfügung geschäftsfähig ist. Sinnvoll ist es auch, die Verfügung zusätzlich von ärztlicher Seite abzeichnen zu lassen. Auf diese Weise kann der Patient sicher gehen, dass seine Erklärung rechtswirksam ist.
Eine Patientenverfügung kann dabei jederzeit formlos - also auch mündlich - widerrufen werden (§ 1901a Abs. 1 S. 3 BGB). Eine erstellte Patientenverfügung sollte idealerweise alle zwei Jahre von dem Patienten auf ihre Gültigkeit geprüft und bestätigt werden. Eine bestimmte Geltungsdauer besteht für die Patientenverfügung von Gesetzes wegen nicht.
Jeder Mensch, gleich welchen Alters, kann unfall- oder krankheitsbedingt in eine Situation gelangen, in der er nicht mehr entscheidungsfähig ist. Dann muss ein Vertreter die Entscheidung treffen, ob eine ärztliche Maßnahme durchgeführt werden soll oder nicht. Eine schwierige, belastende Entscheidung, wenn keine Patientenverfügung vorliegt, die jeglichen Zweifel an den Wünschen des Patienten ausräumt.
Wenn es um die rechtsgültige Formulierung einer Verfügung geht, ist fachkundige Unterstützung hilfreich. Eine gute Orientierung bieten formulierte Textbausteine, wie sie beispielsweise das Bundesjustizministerium veröffentlicht hat. Die verschiedenen Satzelemente können kombiniert werden, um zu einer für die eigene Person passenden Gesamterklärung zu kommen. Eine Übersicht über Formulierungshilfen bieten außerdem verschiedene Organisationen.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Gesundheit und Prävention e. V. mit Sitz in Wuppertal (www.dggp.org) ist ein kompetenter Ansprechpartner und Vermittler für Menschen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen wollen oder müssen.
Die DGGP ist einer der größten deutschen Berufsverbände für freie Fachberatungsberufe im Gesundheitswesen. Zertifizierte Berater und Pädagogen für Ernährung, Entspannung und Prävention finden hier ein Forum zum Austausch und zur Weiterbildung. Das hochwertige Fachfortbildungsprogramm wechselt jährlich und hält Seminare und Vorträge von erfahrenen Dozenten bereit, in denen die Teilnehmer ihre Fachkenntnisse vertiefen können. Die fachkundige Aus- und Fortbildung qualifiziert die Mitglieder des Verbandes dazu, ihre Klienten in Einzel- und Gruppensitzungen umfassend und vor allem individuell zu betreuen. Sie lehren und beraten in der eigenen Praxis, leiten Kurse in Kindergärten, Schulen, in Betrieben, Fitnessstudios, Reha- und Kur-Zentren. Auch in Einrichtungen der Altenpflege werden sie tätig.
Das breitgefächerte Fortbildungsangebot der DGGP e. V. ist nicht nur den Mitgliedern des Berufsverbands vorbehalten. Es sind grundsätzlich alle interessierten Fachberater aus dem Gesundheitswesen willkommen, an Seminaren und Vorträgen teilzunehmen. Nicht-Mitglieder können durch die Teilnahme an Veranstaltungen eine vollwertige Mitgliedschaft beim Verein erwerben.
Weiterführende Informationen unter www.dggp.org.
Das Anmeldeformular für Veranstaltungen ist dort als PDF-Dokument hinterlegt.
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